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SF210 Relevanz erkennen

| Burkhard Bensmann

Wesentliches im Blick behalten

  • Wie oft haben Sie in Ihrem Führungsalltag den Eindruck, dass das Dringende das Wesentliche verdrängt?
  • Wie oft nehmen Sie sich vor, an einer zentralen strategischen Aufgabe zu arbeiten – und finden sich dann doch in E-Mails, Abstimmungen oder Nebensächlichkeiten wieder?
  • Wie häufig erleben Sie es, dass Sie sich von der Vielzahl an Informationen und Optionen schlicht überwältigt fühlen – und die Frage bleibt: Was ist hier  wirklich relevant?

Wenn Sie jetzt bei allen drei Fragen genickt haben, sind Sie in bester Gesellschaft. Die Fragen verweisen auf eine wesentliche Herausforderung von Führungskräften: Relevanz zu erkennen und zu bewerten.
Und damit willkommen zu einer neuen Soloepisode meines Podcasts Selbstführung und Leadership Development.
Mein Name ist Burkhard Bensmann und ich begleite unternehmerische Menschen im In- und Ausland, vor allem in Veränderungssituationen.
Heute erfahren Sie, wie Sie Ihre Relevanzkompetenz gezielt trainieren können.

1. Definition – Was meinen wir mit Relevanz?

Relevanz stammt vom lateinischen relevare – „anheben, etwas hervorheben“.
Relevanz ist die Fähigkeit, aus der Fülle des Möglichen gezielt das zu erkennen und hervorzuheben, was im gegebenen Kontext den wirklichen Unterschied macht. Denken Sie an die vielen Mails in Ihrem Posteingang: Die E-Mail mit der Kündigung eines Top-Mitarbeiters ist relevant – der Newsletter-Spam nicht. In einem Meer aus Informationen entscheidet der Relevanzfilter, worauf wir unsere begrenzte Aufmerksamkeit richten. Ohne ihn würden wir schlicht überfordert sein. Wichtig: Relevanz ist keine abstrakte Theorie, sondern eine hochpraktische Alltagsfähigkeit. Wer sie nicht beherrscht, steckt fest im Reaktionsmodus – und verliert die Chance, aktiv zu gestalten.

2. Relevanz – warum heute noch bedeutsamer?

Die Fähigkeit, das Wesentliche zu erkennen, war schon immer wichtig. Doch heute ist sie entscheidender denn je. Warum? Drei Entwicklungen machen den Unterschied:

Informationsflut: Wir leben in permanenter Überstimulation.
Krisendichte: Pandemie, geopolitische Spannungen, Klimawandel, technologische Disruption – alles scheint gleichzeitig auf der Agenda zu stehen.
Gestiegene Erwartungen: .Von Führungskräften wird erwartet, inmitten von Unsicherheit Orientierung zu bieten und nicht reflexhaft auf jede Störung zu reagieren

Ohne ein geschärftes Gespür für Relevanz riskieren Führungskräfte Überlastung und Wirkungslosigkeit – und Organisationen den Verlust von Fokus und Handlungsfähigkeit.

3. Neurobiologische und psychologische Aspekte

Um Relevanz  zu verstehen, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Verfahren, mit denen unser Gehirn Informationen verarbeitet und bewertet.

  • Neurobiologisch: Im limbischen System – insbesondere in der Amygdala – werden Reize nach Bedeutsamkeit sortiert. Stellen Sie sich Ihr Gehirn als eine Art Security-System vor: Es lässt nur das herein, was es als wichtig einstuft. Bedrohungen und Belohnungen haben dabei stets Vorfahrt.

Das heißt: Bedrohungen werden sofort priorisiert, weil sie für das Überleben entscheidend sind. Belohnungssignale und soziale Hinweise erhalten ebenfalls bevorzugte Verarbeitung, da sie für Kooperation und Motivation wichtig sind. 

  • Psychologisch: Relevanz ist immer subjektiv, sie hängt von Zielen, Werten und Erfahrungen ab. So nimmt jemand, der Innovation als zentralen Wert lebt, neue Ideen und Chancen stärker wahr als Risiken. Wer hingegen Sicherheit betont, erkennt Gefahren oder Unstimmigkeiten viel schneller. Psychologische Forschung legt nahe, dass diese Bewertung nicht statisch ist: In Stresssituationen oder bei Erschöpfung verschieben sich unsere inneren Prioritäten, und wir übersehen leicht langfristig Wichtigeres zugunsten kurzfristiger Reize.

Unsere Wahrnehmung arbeitet also wie ein dynamischer Signalprozessor: Von der Flut eintreffender Informationen wird nur ein kleiner Teil als relevant markiert und weiterverarbeitet. Genau deshalb unterscheiden sich Menschen in derselben Situation oft erheblich in dem, was sie „wirklich sehen“ – und Führungskräfte müssen ihre eigenen Filtermechanismen reflektieren, um bewusster entscheiden zu können.

4. Kann man Relevanzkompetenz trainieren?

Ja – und genau hier liegt ein Schlüssel für wirksame Selbstführung. Neben unseren biologischen Grundmustern können wir Relevanzfähigkeit systematisch stärken.
Ich schlage Ihnen ein 3×3-Framework vor – drei Felder mit je drei praktischen Übungen:

Wahrnehmung schärfen

  • Starten Sie den Tag mit einem kurzen „Aufmerksamkeits-Warm-up“: Zwei Minuten bewusstes Wahrnehmen von Geräuschen, Bildern, Empfindungen.
  • Üben Sie „Focused Presence“ in Meetings: volle Aufmerksamkeit jeweils nur einer Person schenken – Stimme, Gestik, Signale.
  • Planen Sie bewusste Pausen ein. Überlastung macht blind für das Wesentliche.

Den inneren Kompass kalibrieren 

  • Klären Sie Ihre Mission und Werte. Ohne inneren Kompass bleibt alles gleich wichtig.
  • Machen Sie regelmäßige „Alignment Checks“: Passt diese Aktivität zu meiner Mission und Rolle? Hinterfragen Sie regelmäßig die Hauptannahmen in Ihren Entscheidungsprozessen.
  • Führen Sie ein Relevanz-Journal: Notieren Sie abends, was wirklich relevant war – und warum.

Fokus gestalten und halten

  • Unterscheiden Sie Wichtigkeit und Dringlichkeit. Nutzen Sie Methoden wie die Eisenhower-Matrix oder fragen Sie: „Bringt uns das wirklich voran – oder hält es uns nur beschäftigt?“
  • Trainieren Sie kognitive Kontrolle: 45-Minuten-Fokus-Sprints, Benachrichtigungen ausschalten, „Nicht stören“-Zeiten einrichten. Schaffen Sie Räume für Deep Work.
  • Nutzen Sie kollektives Relevanz-Scouting im Team und achten Sie zugleich auf Körpersignale und Intuition.

5. Relevanz in der Praxis: Der Unterschied, der zählt

Nachdem wir geklärt haben, was Relevanz ist und warum sie heute so entscheidend ist, schauen wir auf Ihre Rolle, liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer. Denn gerade Sie als Führungskraft sind es, die Prioritäten setzen, Entscheidungen treffen und Orientierung geben müssen. Ohne ein scharfes Relevanzbewusstsein geht Führung im Klein-Klein unter. Dringlichkeit und Wichtigkeit zu unterscheiden, ist dabei der größte Hebel. Der Kalender eines CEOs, den ich begleitet habe, war dafür das perfekte Beispiel. Er hatte das Gefühl, sein Kalender führe ihn – statt umgekehrt. In unseren Sessions erkannte er: Rund 70 % seiner Energie flossen in kurzfristige, aber unbedeutende Themen. Die wichtigen, strategischen Projekte blieben liegen. Ein praktischer Tipp an dieser Stelle: time boxing, also das großzügige Blockieren von Zeiten in Ihrem Kalender für deep work.
Das war auch die Lösung für eine andere Führungskraft. Sie war ständig in Meetings, permanent erreichbar, aber unfähig, eine zentrale strategische Entscheidung voranzubringen. Dieser Mensch war im Dauer-Reaktionsmodus. Erst als er lernte, feste Zeiten für strategische Arbeit zu blocken und Kriterien für Relevanz zu entwickeln, konnte er den Hebel an den entscheidenden Stellen ansetzen. Er gab nicht nur sich selbst, sondern auch seinem Team wieder klare Orientierung.
Diese Beispiele zeigen: Wenn Sie das Ruder übernehmen und Ihren Relevanzfilter bewusst einsetzen, können Sie sich aus der Falle der permanenten Beschäftigung befreien.
Daher lade ich Sie ein, diesen Podcast-Impuls direkt in Ihren Alltag zu übertragen. Nehmen Sie sich in den nächsten Tagen einen Moment und fragen Sie sich:

  • Was sind die wirklich relevanten Themen für meine Organisation in den nächsten 12 Monaten?
  • Woran erkenne ich, dass etwas relevant ist – und nicht nur dringend?
  • Quick win: Wo lasse ich mich gerade von scheinbar Wichtigem ablenken und welche Gewohnheit kostet mich am meisten Energie?

Exkurs: One more thing: Relevanz ist kein Solosport

Bevor wir zum Fazit kommen, möchte ich noch einen Punkt hervorheben, der uns als Führungskräfte in Familienunternehmen besonders betrifft. Relevanz ist kein Solosport. Es reicht nicht, wenn nur Sie selbst das Wesentliche erkennen. Ihre Aufgabe ist es, diese Relevanz zu vermitteln und das gesamte Team darauf auszurichten. Wenn Sie mit Ihrer Führungsgruppe das nächste Mal in einer Klausur sind, anstatt sich in endlosen Diskussionen über Details zu verlieren, stellen Sie sich gemeinsam die Frage: „Was ist hier wirklich relevant?“  Um diese Frage nicht nur als Floskel zu benutzen, schlage ich Ihnen zwei praktische Tipps vor:

Erster Tipp: „Fokus-Sprint“: Beginnen Sie jede Diskussion oder jedes Meeting mit einem kurzen, stummen Moment der Reflexion. Jeder notiert für sich, was in den nächsten 10, 30 oder 60 Minuten der relevante Punkt bzw. das Wichtigste sein muss. Vergleichen Sie die Ergebnisse und identifizieren Sie die Gemeinsamkeiten. Das lenkt den Fokus sofort auf die Kernfragen und schärft das kollektive Bewusstsein für das Wesentliche.

Zweiter Tipp: „Relevanz-Stopp“: Wenn eine Diskussion abzuschweifen droht oder sich im Klein-Klein verliert, rufen Sie einen „Relevanz-Stopp“ aus. Fragen Sie das Team: „Wie trägt das, was wir gerade besprechen, zur Lösung unseres Problems bei oder zu den Zielen, die wir erreichen wollen?“ Das zwingt die Gruppe, innezuhalten, die eigenen Filter zu reflektieren und den Blick wieder auf das wirklich Wichtige zu lenken.

Indem Sie diese Praktiken etablieren, trainieren Sie nicht nur Ihren eigenen Relevanzfilter, sondern schaffen eine Kultur, in der jeder Mitarbeiter den Fokus behält. Das stärkt nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch das Vertrauen und die Eigenverantwortung im Team. Variante: Sie können auch eine Person als „Störungsmelder“ für das Team etablieren.

6. Fazit

Relevanz ist das Fundament wirksamer Führung. Wer Relevanz nicht erkennt, riskiert, in einem Strudel aus Lärm, Dringlichkeiten und endlosen Aktivitäten zu versinken – beschäftigt, aber nicht wirksam.
Wer jedoch Relevanz schärfen und vermitteln kann, gibt Orientierung. Und Orientierung ist das, wonach Menschen gerade in Zeiten von Komplexität und Unsicherheit suchen. Sie schafft Fokus, reduziert Stress und baut Vertrauen auf.

7 . Abschluss

Das war die heutige Episode von Selbstführung und Leadership Development.
Nutzen Sie diese Anregungen und beobachten Sie sich in den nächsten Tagen bewusst. Ich bin sicher, Ihre Wirksamkeit wird spürbar steigen. 


Wenn Sie die heutige Folge wertvoll fanden, teilen Sie sie gern mit jemandem, der gerade Veränderung erlebt. Helfen Sie ihm oder ihr zu verstehen: Transformation bedeutet nicht, alle Antworten zu haben – sondern bessere Fragen zu stellen. 
Wenn Sie aktive Unterstützung wünschen, kontaktieren Sie mich über meine Website oder per E-Mail an bb@bensmann-consulting.com und fragen Sie nach einer Deep Dive Session.


Musik im Vor- und Nachspann

by Joakim Karud http://soundcloud.com/joakimkarud

Burkhard Bensmann

Meine Philosophie

„Nur wer sich selbst führen kann, sollte auch andere führen dürfen.“
Sind Sie bereit, Ihr Führungspotential freizusetzen? Lassen Sie uns gemeinsam Ihre Fähigkeiten speziell in der Selbstführung entwickeln.