
SF209 Transformationsoffenheit
Innere Widerstände verstehen, echte Veränderung gestalten
Wann haben Sie zuletzt eine Veränderung wirklich angenommen – ohne Widerstand, Zweifel, ohne sie hinauszuschieben?
Haben Sie sich schon einmal dabei ertappt, an Routinen festzuhalten, obwohl diese Ihnen längst nicht mehr dienen?
Und was wäre, wenn Veränderung nicht einfach über Sie „hereinbricht“, sondern Sie Transformation als etwas verstehen, das Sie aktiv gestalten können?
Und damit willkommen zu einer neuen Solo-Episode meines Podcasts „Selbstführung und Leadership Development“. Mein Name ist Burkhard Bensmann, und ich begleite unternehmerische Menschen im In- und Ausland, vor allem in Veränderungssituationen.
Diese Episode dreht sich um eine entscheidende Fähigkeit für moderne Führung: Transformationsoffenheit. Nicht um blinden Aktionismus oder Beliebigkeit, sondern um eine bewusste, reflektierte Offenheit für Wandel, die bei der Selbstführung beginnt.
Welche Inhalte hat diese Episode?
* Warum Transformationsoffenheit gerade in Zeiten von Komplexität und Disruption entscheidend ist,
* Was aktuelle psychologische Modelle über innere Veränderungsprozesse sagen,
* Warum Widerstand und Angst normale Bestandteile von Entwicklung sind,
* Mein eigenes Fünf-Phasen-Modell zur aktiven Entwicklung von Transformationsoffenheit
* Und: Warum selbst Transformation eine Überdosis haben kann.
Warum Transformationsoffenheit jetzt zählt
Die Welt verändert sich nicht nur – sie transformiert sich. Alte Strukturen lösen sich auf, neue Technologien entstehen, Führungsrollen werden ständig neu definiert. Was Sie brauchen, ist nicht nur das Handwerkszeug, um mit Wandel umzugehen, sondern die innere Haltung, sich bewusst darauf einzulassen. Transformationsoffenheit heißt: bereit zu sein, Wandel wahrzunehmen, zu interpretieren und konstruktiv darauf zu reagieren – ohne in Hektik oder Lähmung zu verfallen.
Vergleichen Sie es mit dem Segeln: Sie können den Wind nicht bestimmen, aber Sie können Ihre Segel setzen. Transformationsoffenheit heißt, die Segel immer wieder bewusst neu justieren – mit Klarheit und Zuversicht.
Was die Psychologie über innere Veränderung lehrt
Diverse psychologische Modelle helfen uns zu verstehen, wie echte Veränderung im Inneren abläuft. Hier weise ich kurz auf drei Ansätze hin:
- Das Transtheoretische Modell (Prochaska/DiClemente): beschreibt Veränderung in Stufen – von der Verneinung über Vorbereitung und Handlung bis zur Integration. Veränderung ist selten gradlinig – Rückschritte und Zweifel gehören dazu.
- Eine weitere Erkenntnis stammt aus der Acceptance and Commitment Therapy (ACT): Unbehagen muss nicht besiegt werden. Entscheidend ist, dass Sie trotz Unsicherheit und Angst auf Ihre Werte ausgerichtet handeln.
- Und schließlich die Idee der Selbstwirksamkeit (Bandura): Der Glaube an die eigene Fähigkeit, auch unter schwierigen Bedingungen Veränderungen herbeizuführen.
Diese Theorien lehren uns: Sie müssen Wandel nicht lieben, aber Sie müssen lernen, konstruktiv mit ihm umzugehen.
Mein Fünf-Phasen-Modell
Basierend auf meiner Coaching-Erfahrung und diesen Theorien habe ich ein einfaches, praxistaugliches Modell entwickelt: die Fünf Phasen der Transformationsoffenheit. Mein Modell beansprucht nicht, das Rad neu zu erfinden – vielmehr baut es auf dem Wissen und den Erfahrungen großer Denker auf – männlich wie weiblich. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit für die grundlegende Vorarbeit all jener, die unser Verständnis von Transformation, Mindset und menschlicher Entwicklung geprägt haben. Nun aber zu dem Fünf-Phasen-Modell.
Phase 1. Verleugnung und Widerstand
„Das darf nicht wahr sein. Ich will das nicht.“ Das ist der Moment, in dem Ihr inneres System auf die Bremse tritt. Es ist eine zutiefst menschliche, schützende Reaktion – häufig verwurzelt in Angst, Unsicherheit oder früheren Enttäuschungen. Vielleicht merken Sie, wie Sie Gespräche vermeiden, sich emotional wehren oder sich gedanklich in alte Muster zurückziehen.
Ihre Aufgabe an dieser Stelle ist es nicht, Veränderung zu erzwingen. Stattdessen: Schaffen Sie emotionale Sicherheit – für sich selbst oder Ihr Team. Werden Sie langsamer. Seien Sie präsent.
Fragen Sie sich: „Wovor habe ich Angst, es zu verlieren?“ „Welcher Teil von mir leistet Widerstand – und was möchte er beschützen?“
Dies ist ein wirkungsvoller Moment, um Techniken wie Reframing oder Ankern zu nutzen. Sie helfen, Ihre Perspektive sanft zu verschieben – ohne Ihre Gefühle zu verdrängen.
2. Ambivalenz und Bewusstwerdung
„Vielleicht ist es nötig – aber ich bin unsicher.“ An dieser Stelle entsteht ein neues Bewusstsein. Sie leisten keinen vollen Widerstand mehr, sind aber auch noch nicht wirklich engagiert. Es gibt eine Spannung zwischen dem Sog des Vertrauten und dem Flüstern dessen, was möglich wäre. Das ist die ideale Zeit für geführte Reflexion.
Klären Sie Ihre Werte. Fragen Sie sich, was Ihnen wirklich wichtig ist. Stellen Sie sich alternative Zukünfte vor – nicht als Excel-Tabelle, sondern mit inneren Bildern. Ein praktisches Werkzeug ist die Timeline-Arbeit: Visualisieren Sie Ihr zukünftiges Ich in einem Jahr. Was tut es? Was fühlt es? Was gestaltet es? Oder arbeiten Sie mit Metaphern – wie der „inneren Reise“. Das eröffnet tiefere Einsichten.
3. Entscheidung und Vorbereitung
„Ich will handeln – aber wie?“ In dieser Phase stellt sich die Klarheit ein. Es gibt ein inneres „Ja“. Sie erkennen: Es ist Zeit, aktiv zu werden. Doch jetzt stellt sich die Frage: Was ist der Plan? Passt die Entwicklung wirklich zu dem, der ich bin? Hier wird der sogenannte Ökologie-Check wichtig.
Fragen Sie sich: „Fühlt sich diese Entscheidung in meinem Körper stimmig an?“ „Habe ich die Energie, Unterstützung und innere Erlaubnis, jetzt zu handeln?“
Entwickeln Sie einen einfachen, flexiblen Fahrplan – einen, der Ihrer Identität entspricht und nicht gleich überfordert.
4. Handeln und Integrieren
„Ich bin mitten drin.“ Das ist das „chaotische Mittelfeld“ oder: the messy middle. Die Phase, in der Vision auf Realität trifft. Sie sind ins Handeln gekommen – aber jetzt lernen, passen Sie sich an, stolpern vielleicht auch. Genau so funktioniert Transformation.
Der Schlüssel ist hier: kleine Rituale, Feedbackschleifen, Unterstützung durch Peers bzw. Kollegen oder Externe. Ob es ein morgendlicher Check-in ist, eine zehnminütige Journalingroutine oder wöchentliche Coachings – kleine Systeme halten die Veränderung in Bewegung.
Erinnern Sie sich: Es geht nicht um Perfektion. Es geht um Entwicklung und Momentum.
5. Reflexion und Identitätswachstum
„Ich bin nicht mehr dieselbe Person.“ Das ist der stille, oft überraschende Augenblick, in dem Sie spüren: Es hat sich etwas grundlegend verändert. Sie haben die Veränderung nicht nur überstanden – Sie haben sie verinnerlicht. Sie ist jetzt Teil Ihrer Identität geworden. Nehmen Sie sich Zeit zum Innehalten und Nachdenken: „Was habe ich gelernt – nicht nur über die Situation, sondern über mich?“ „Welche Stärken sind sichtbar geworden, von denen ich nichts wusste?“
Hier wird Veränderung zu einem identitätsprägenden Prozess. Sie führen Transformation nicht mehr nur „aus“ – Sie verkörpern sie. Und das gibt Ihnen Zuversicht für den nächsten Zyklus.
Zu viel Offenheit? Einige Worte der Warnung
Sozusagen der Beipackzettel der Transformationsoffenheit. Wie bei jeder wirkungsvollen Medizin gibt es Nebenwirkungen:
1. Zu viel Offenheit kann destabilisieren.
Wenn Sie sich ständig anpassen, könnten Sie Ihren inneren Kompass verlieren. Offen für Veränderung zu sein, ist wünschenswert. Doch wenn Sie sich permanent an Ihre Umgebung anpassen, ständig Prioritäten verschieben oder jedem neuen Trend hinterherlaufen, riskieren Sie, den Kontakt zu Ihrem Kern, zu Ihrer Identität zu verlieren. Ich habe Führungskräfte erlebt, die versuchen, allen Erwartungen gerecht zu werden – und am Ende erschöpft und orientierungslos sind.
Bleiben Sie verbunden mit Ihren Werten und Ihrer langfristigen Vision. Fragen Sie sich: „Woran möchte ich auch in Zeiten des Wandels festhalten?“ Ihre Transformation sollte Ihre Identität berücksichtigen – und nicht von Dringlichkeit geleitet sein.
2. Offenheit ist nicht gleichbedeutend mit Anpassung um jeden Preis.
Nur weil Wandel gerade „in“ ist, heißt das nicht, dass er richtig für Sie ist. Manche Menschen setzen Offenheit mit Gehorsam gleich. Sie sagen bei jeder Initiative, jedem neuen Tool und jeder Reorganisation Ja – nur um flexibel zu wirken. Aber das ist keine Transformation. Das ist Unterwerfung. Und das kann Ihre Integrität beschädigen. Üben Sie eine Art von achtsamer Selektivität.
Fragen Sie sich: „Entspricht diese Veränderung meinen Werten und meiner Mission – oder versuche ich nur, dazuzugehören?“ Wirkliche Offenheit beinhaltet den Mut, auch mal Nein zu sagen.
3. Widerstand verdient Respekt.
Der Versuch, Angst oder Skepsis zu schnell zu eliminieren, kann nach hinten losgehen. Wir hören oft, wir müssten Widerstände „überwinden“. Aus meiner Erfahrung ist Widerstand jedoch eine Form von Intelligenz. Es ist Ihr eigenes System, das sagt: „Warte mal. Irgendetwas stimmt nicht.“ Vielleicht ist der Zeitpunkt ungünstig. Vielleicht wurden Ihre Bedürfnisse nicht gehört. Vielleicht werden Ihre Werte infrage gestellt.
Respektieren Sie den Widerstand. Statt ihn wegzudrücken, gehen Sie mit Neugier heran: „Was schützt dieser Widerstand? Was muss anerkannt oder neu verhandelt werden?“ Weise Führungskräfte hören zu – auch sich selbst.
4. Transformation braucht Reflexion. Entwicklung ist kein Sprint.
Pausen, Erholung und Reflexion sind essenziell. In unserer schnelllebigen Welt ist selbst Veränderung zum Wettkampf geworden. Doch nachhaltige Transformation braucht Zeit. Sie braucht Raum. Wachstum verläuft nicht linear. Es beinhaltet Rückschläge, Pausen und Phasen der Integration.
Bauen Sie Erholungsphasen ein. Schützen Sie sich Zeit zum Nachdenken.
Respektieren Sie die Übergänge zwischen den Phasen – nicht nur die Meilensteine. Innehalten ist keine Verzögerung – er ist eine Dimension des Wandels. Verstehen Sie dies als bewusstes, kritisches Einlassen auf Transformation.Also eine kritische Transformationsoffenheit.
Echter Wandel ist möglich – aber nur, wenn er ehrlich, verkörpert und selbstgeführt ist.
Abschließende Gedanken
Fassen wir wichtige Punkte noch einmal zusammen, damit Sie in das Handeln kommen. Sie haben gerade einen praktischen Rahmen gehört, eine Art Landkarte für die innere Landschaft der Transformationsoffenheit. Doch was bedeutet das für Sie – heute, in diesem Moment? Hier trifft Erkenntnis auf Handlung. Denn Reflexion ohne Bewegung führt zur Stagnation. Und Handeln ohne Reflexion führt zum Fehlstart.
So können Sie jetzt gleich starten:
1. Widerstand wahrnehmen – benennen, erforschen.
Denken Sie an eine Veränderung, der Sie gerade gegenüberstehen – vielleicht beruflich, in Ihrer Rolle oder im privaten Bereich. Wo spüren Sie Spannung? Wo vermeiden Sie etwas? Wo sind Sie müde?
Statt es wegzudrücken, halten Sie inne und erforschen es: „Wovor habe ich Angst, es zu verlieren?“
„Welcher Teil von mir möchte dort bleiben, wo er ist – und warum?“
Denken Sie daran: Widerstand ist kein Fehler. Es ist eine Information. Ein Signal, das es zu entschlüsseln gilt.
Probieren Sie Folgendes aus: Schreiben Sie Ihre drei stärksten Widerstände auf. Fragen Sie sich für jeden: „Was will dieser Widerstand beschützen?“ Dieser einfache Schritt kann Angst in Erkenntnis wandeln.
2. Werte klären – sie sind Ihr Kompass.
Transformation ohne Orientierung kann gefährlich sein. Deshalb sind Ihre Werte keine Option – sie sind essenziell. Fragen Sie sich: „Woran möchte ich trotz aller Veränderungen festhalten?“ „Wofür stehe ich – auch wenn sich mein Umfeld wandelt?“
Versuchen Sie Folgendes: Wählen Sie drei Werte, die Sie wirklich leiten. Fragen Sie danach: „Wie sichtbar sind diese Werte in meinen aktuellen Entscheidungen?“ Dieser Schritt verankert Ihre Transformation in Ihrer Identität – nicht nur in Trends.
3. Kommen Sie ins Handeln – auch kleine Schritte zählen.
Sie brauchen keinen 10-Jahres-Plan. Was Sie brauchen, ist Schwung – und der beginnt mit kleinen Schritten. Welcher Wandel steht seit Langem aus? Welcher eine Gewohnheit, welches Gespräch, welches Experiment?
Definieren Sie einen konkreten kleinen Schritt für die nächsten 48 Stunden. Halten Sie ihn klein. Und verpflichten Sie sich dazu – am besten öffentlich oder zumindest gegenüber einem vertrauten Gegenüber. So kommen Sie ins Handeln.
4. Respektieren Sie Ihren Rhythmus – Veränderung muss nicht hetzen.
Wir fühlen uns oft gedrängt, die Veränderung schnell zu vollziehen. Aber sinnvolle Entwicklung folgt ihrem eigenen Rhythmus – wie Atmen, wie die Jahreszeiten. Sie brauchen Ruhe- und Erholungsphasen genauso wie Phasen des Sprintens. Planen Sie eine bewusste Pause in Ihre Woche ein: einen Spaziergang, eine Journaling-Session, einen ruhigen Morgen ohne Bildschirm. Bewegen Sie sich nicht nur – integrieren Sie die Pause in Ihren Alltag. Wachstum ist nicht immer sichtbar. Manchmal findet es unter der Oberfläche statt.
5. Bleiben Sie im Dialog – mit sich selbst und vertrauensvollen Menschen.
Transformation gedeiht in Verbindung. Sie müssen das nicht allein schaffen. Teilen Sie Ihre Gedanken. Holen Sie sich Feedback. Laden Sie andere Perspektiven ein. Sprechen Sie mit einem Mentor, Coach oder einem Peer, der Sie herausfordert und unterstützt. Was Sie konkret tun können: Machen Sie diese Woche eine Person ausfindig und sagen Sie: „Ich reflektiere gerade einige Veränderungen. Können wir das bei einem Kaffee besprechen?“ Offenheit wächst, wenn wir uns öffnen.
Wenn Sie die heutige Folge wertvoll fanden, teilen Sie sie gern mit jemandem, der gerade Veränderung erlebt. Helfen Sie ihm oder ihr zu verstehen: Transformation bedeutet nicht, alle Antworten zu haben – sondern bessere Fragen zu stellen.
Wenn Sie aktive Unterstützung wünschen, kontaktieren Sie mich über meine Website oder per E-Mail an bb@bensmann-consulting.com und fragen Sie nach einer Deep Dive Session.
Musik im Vor- und Nachspann
by Joakim Karud http://soundcloud.com/joakimkarud