SF203 Balance zwischen den Lebensbereichen schaffen – 5 Tipps

 


Warum „Work-Life-Balance“ nicht taugt

Wie oft haben Sie das Gefühl, zwischen beruflichen und privaten Verpflichtungen hin- und hergerissen zu sein?  Haben Sie manchmal den Eindruck, dass Ihre Lebensbereiche in Konkurrenz zueinander stehen?  Stellen Sie sich vor, es wäre möglich, sie in Einklang zu bringen—wie würde das Ihr Leben verändern?
Sie, werte Hörerinnen und Hörer, wissen, dass mir der Begriff „Work-Life-Balance“ nicht gefällt. Er mag geläufig sein, aber er ist nicht wirklich passend. Warum? Weil er suggeriert, dass Arbeit und Leben getrennte Dinge sind—doch in Wahrheit sind sie untrennbar miteinander verbunden. Der Schlüssel liegt darin, alle Lebensbereiche bewusst miteinander in Einklang zu bringen, sie auszubalancieren.
Und darum soll es in dieser Episode gehen. In der Einleitung spreche ich zunächst über die verschiedenen Lebensbereiche von Führungskräften. Dann betrachte ich kurz die bisherigen Ansätze, um mehr Ausgleich zu schaffen. Und im Hauptteil nenne ich dann Ansätze, die auf Selbstführung basieren. Im Exkurs biete ich Ihnen ergänzende Prüfpunkte.

Typische Lebensbereiche von Top-Managern und das Problem der fehlenden Balance

Als Führungskraft jonglieren Sie verschiedene wichtige Lebensbereiche, und oft stehen diese miteinander im Konflikt. Da ist die Familie, die emotionale Unterstützung braucht und zugleich auch viel Zeit und Energie erfordert. Der Beruf verlangt Ihre volle Aufmerksamkeit und ständige Verfügbarkeit, oft auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Auch Ihre Gesundheit will gepflegt werden, denn Fitness und mentale Stärke sind der Schlüssel für langanhaltenden beruflichen Erfolg.
Dann gibt es soziale Netzwerke, Freundschaften und möglicherweise ehrenamtliche Tätigkeiten, die für Sie von Bedeutung sind. Doch was passiert, wenn diese Bereiche miteinander kollidieren? 

Hier ein Beispiel: Ein CEO plant einen Familienurlaub, den er lange im Voraus organisiert hat. Plötzlich wird ein wichtiges Meeting auf genau diese Woche gelegt, das er nicht verpassen kann. Soll er die Familie enttäuschen oder seine beruflichen Verpflichtungen vernachlässigen?
Solche Situationen führen nicht nur zu Stress und innerer Unruhe, sondern auch zu dem Gefühl, ständig etwas zu verpassen—sei es im Beruf oder im Privatleben. Diese Konkurrenz der Lebensbereiche kann dazu führen, dass man sich nie wirklich auf einen Bereich voll konzentrieren kann. Oft stehen die Prioritäten im ständigen Wechsel und die einzelnen Bereiche werden nur noch oberflächlich gepflegt. Das führt langfristig nicht nur zu Unzufriedenheit, sondern auch zu Leistungsabfall und dem Gefühl, immer „hinterherzuhinken“.

Populäre, aber nicht dauerhaft erfolgreiche Ansätze

Viele gängige Ansätze zur sogenannten „Work-Life-Balance“ basieren auf strikten Zeitplänen oder der Illusion, dass man mit Multitasking alles unter Kontrolle bekommen kann. Doch Studien zeigen immer wieder, dass Multitasking die Produktivität mindert und uns mehr stresst, als dass es uns hilft. Auch die Vorstellung, Beruf und Privatleben strikt zu trennen, scheitert oft an der Realität. Überraschungen und unvorhergesehene Herausforderungen machen solche Pläne oft zunichte.
Ansätze der Selbstoptimierung versprechen, durch optimale und disziplinierte Organisation mehr in kürzerer Zeit zu schaffen. Haben Sie solche Ansätze selbst schon ausprobiert? Nach meiner Erfahrung führen sie nicht zum Ausgleich, sondern fördern in vielen Fällen zum burnout. Und solche Ansätze können das Phänomen der Rastlosigkeit fördern – und Rastlosigkeit ist eine sehr wirksame Form der Selbstsabotage.
Wir kultivieren die Selbstoptimierung und tragen damit der Selbstausbeutung Vorschub.

Funktionierende Ansätze, die auf Selbstführung basieren

Statt auf starre Zeitpläne sollten Sie auf Selbstführung setzen. Selbstführung umfasst Einstellungen und Methoden zur zielgerichteten Führung der eigenen Person. Selbstführung basiert wesentlich auf Selbsterkenntnis, Selbstverantwortung und Selbststeuerung.

Hier sind wirkungsvolle Ansätze zur Förderung einer Balance zwischen Ihren Lebensbereichen, jeweils mit einem Tipp für die Umsetzung:

Mission – Grundlage für Selbstführung

Sie kennen meine Definition: Mission bezeichnet den eigentlichen Grund, die Daseinserklärung oder auch den Zweck eines Individuums. Leitfragen können sein: Wozu bin ich auf der Welt? Welchen Sinn und Zweck verbinde ich mit meinem Lebens. Wenn Sie Ihren „Purpose“ verloren haben, wenn Sie sich Ihrer Werte nicht mehr sicher sind, dann sollten Sie Ihre persönliche Mission für sich selbst klar formulieren. Sie kann der feste Boden sein, auf dem Sie stehen. 

Tipp: Falls noch nicht geschehen: nehmen Sie sich Zeit, vielleicht auch externe Unterstützung, und formulieren Sie Ihre Mission. Wenn Sie Ihre persönliche Mission formulieren, dann sollte dies in maximal zwei Sätzen gelingen. Meine Formulierung lautet so:  Meine Mission ist  die persönliche Begleitung unternehmerischer Menschen aus dem In- und Ausland, vor allem in Veränderungssituationen. Ich unterstütze diese Menschen dabei, ihre Potenziale zu erkennen, zu entfalten und wirksam werden zu lassen. Durchaus möglich, dass Sie für sich eine spezifischere Formulierung benötigen – finden Sie es heraus, schreiben Sie verschiedene Versionen auf einen großen Zettel und schauen Sie mehrere Tage immer wieder darauf: Was bleibt haften, was ist leicht merk- und wiederholbar und gleichzeitig kraftvoll?

Reflexionsrituale: 

Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, um über Ihre Lebensbereiche nachzudenken. Fragen Sie sich: Welche meiner Lebensbereiche habe ich im Blick, welche kommen zu kurz?  Das bedeutet, nicht nur im Moment zu funktionieren, sondern langfristig zu überlegen, was wirklich wichtig ist. Hierfür ist eine persönliche Vision elementar wichtig. Meine Definition: Vision bezeichnet ein starkes, prägnantes und wünschenswertes Zukunftsbild eines Individuums, das erreichbar und gleichzeitig herausfordernd ist. Leitfragen können sein: Was zieht mich an? Wie lautet mein Lebensziel? Worauf will ich am Ende meines Lebens stolz sein?
Zur Förderung der Reflexion empfehle ich immer wieder Konzepte wie kollegiale Beratung oder auch den Persönlichen Planungstag (den link setze ich in die shownotes: https://ld21.de/sf194-persoenlicher-planungstag/). Ich rate aber auch zu Ritualen der täglichen Reflexion. 

Daher an dieser Stelle der Tipp: Tägliche Reflexion: Hier gibt es mindestens zwei Ansätze. Ich empfehle, den Tag mit einigen Reflexionsfragen zu starten (Z.B.: Was ist heute besonders wichtig? Was will ich heute für meine mittelfristigen Ziele tun? Wofür bin ich heute besonders dankbar?). Damit gelingt ein kraftvoller Start in den Tag. Falls Sie eher dazu neigen, zum Feierabend oder gar vor dem Schlafengehen den Tag Revue passieren zu lassen: Auch das kann ein Ansatz sein.

Prioritäten setzen

Dazu passt die eben genannte Reflexionsfrage: Was ist heute besonders wichtig? Womit erziele ich Wertschöpfung? Statt immer nur Aufgaben abzuarbeiten, überlegen Sie, welche Aktivitäten echten Wert für Ihr Leben schaffen. Das kann im Job bedeuten, sich auf Projekte zu konzentrieren, die strategisch wichtig sind. Im Privatleben kann es bedeuten, mehr Zeit für Beziehungen oder persönliche Interessen zu reservieren.
Aus Zeitmanagement-Büchern oder -Seminaren kennen Sie Ansätze wie eine ABC-Bewertung. Ich habe immer wieder die Vierung empfohlen (Was will ich weiter machen? Was will ich anders machen? Was will ich stoppen/beenden? Was will ich neu machen?).

Tipp: Schaffen Sie sich bewusst Zeiten für deep work. Diesen Begriff kennen Sie sich schon. Er stammt von Cal Newport und dieser definiert: Deep Work: berufliche Aktivitäten, die in einem Zustand ablenkungsfreier Konzentration ausgeübt werden und Ihre geistigen Kapazitäten an die Grenzen bringen. Diese Leistung schafft neuen Wert, verbessert Ihre Fähigkeiten und ist schwer zu kopieren. Teilen Sie Zeiten in Ihrem Kalender ein für deep work. Das sind Zeiten mit A-Priorität. In diesen Zeiten sind Sie Schöpfer, Macher, Gestalter.

Grenzen setzen

Ein kleines Gedankenexperiment (ich glaube, ich habe es erstmals von meiner Frau gehört): Stellen Sie sich vor, Ihr bester Freund (oder Freundin) ist permanent überfordert, dreht im roten Bereich – was würden Sie ihm (oder ihr) raten? Vermutlich würden Sie raten, vehement „nein“ zu sagen, Grenzen zu ziehen, auf sich acht zu geben.
Behandeln Sie sich wie Ihren besten Freund. Lernen Sie, klar „Nein“ zu sagen—sowohl beruflich als auch privat. Schützen Sie Ihre Zeit und Energie. Das bedeutet auch, Grenzen zu setzen, die es Ihnen erlauben, sich ungestört auf wichtige Dinge zu konzentrieren. Oft führt das dazu, dass Sie insgesamt mehr Kontrolle über Ihre Zeit gewinnen.

Tipp: Nehmen Sie sich vor, an einem bestimmten Tag besonders aufmerksam zu sein: Wo werden meine Grenzen überschritten? Was empfinde ich dabei? War meine Reaktion angemessen? Machen Sie sich am Abend eine Tagebuchnotiz, in der sie diese Fragen beantworten. Steigern Sie Ihre Achtsamkeit in Bezug auf Grenzen, indem Sie diese Übung wiederholen.

Zeit für sich selbst einplanen

Pausen sind Termine mit A-Priorität.  Planen Sie jede Woche feste Zeiten für sich ein, in denen Sie sich entspannen oder an persönlichen Projekten arbeiten. Ob das 20 Minuten Meditation am Morgen sind oder ein längerer Spaziergang—kleine Auszeiten sind essentiell. In meinem aktuellen Buch gibt es auch ein Kapitel mit dem Titel „Mut zur Muße“. Dort plädiere ich dafür, „dass wir Mußezeiten in unsere Kalender hinein schreiben und uns geeignete Orte suchen, an denen wir tagträumen oder gar Langeweile empfinden können – Wiesen und Wälder zum Spazieren gehen; Kirchen oder auch das eigene Sofa zum meditieren; ein Fenster, um in die Ferne zu sehen.“ Soweit das Zitat.

Tipp: Planen Sie, in der kommenden Arbeitswoche zumindest an einem Tag eine (Mittags-)Pause zu machen. Diese sollten Sie nutzen, um allein, ohne Smartphone, nach draußen zu gehen, vorzugsweise ins Grüne; zumindest aber raus aus Ihrem Arbeitskontext. Ich wähle z.B. die Innenhöfe oder Chorgänge großer Kirchen – dort ist es oft inmitten der Großstadt himmlisch ruhig…

 

Exkurs: Ist es Zeit, zu gehen?

Hier ein Wort der Warnung: in manchen Veröffentlichungen über „Selbstmanagement“ – sie hören die Anführungszeichen – liegt der Fokus sehr stark auf Selbstoptimierung. Das kann ein Spiel ohne Grenzen sein – denn wann bin ich „ausoptimiert“? Vielleicht ist es an der Zeit, das Problem nicht nur in der eigenen Person zu sehen, sondern das System kritisch in den Blick zu nehmen. Befinden Sie sich in einem „toxischen System“? In meinem aktuellen Buch „Wirksam handeln durch Selbstführung“ gehe ich im Kapitel „Grenzen der Selbstführung“ darauf ein.

Hier daraus einige Prüfpunkte, die ich in take it – change it – leave it einteile:

Take it

– Die Situation ist nicht angenehm, aber ich kann sie ertragen, ohne Schaden zu nehmen.
– Ich sehe derzeit keine Möglichkeit aktiv Einfluss zu nehmen, um etwas zu verbessern.
– Ich bin wachsam und achte auf Veränderungssignale.
– Ich warte ab, bis sich eine andere Konstellation ergibt, die mehr Veränderungschancen bietet.

Change it

– Wenn ich nichts verändere, nehme ich (oder/und andere) Schaden
– Ich sehe eine echte Chance, durch mein Handeln auf eine Verbesserung der Situation hinzuwirken.
– Eine Veränderung ist zwingend notwendig.
– Es liegt auch an mir, etwas zu tun. Ich erkenne meine Mitverantwortung.

Leave it

– Wenn ich die Situation weiter erdulde oder zulasse, dann nehme ich massiv Schaden, ggf. auch andere.
– Ich habe die Möglichkeit geprüft, aktiv etwas an der Situation zu ändern, aber es geht nicht.
– Es widerspricht meinen Werten, in dieser Situation zu bleiben.
– Ich nutze die Energie lieber für die Veränderung, als langsam (oder schnell) handlungsunfähig zu werden.

Wenn Sie für sich feststellen, dass es bei aller Anstrengung und bei allem Einsatz nicht gelingt, für Sie und andere gedeihliche Bedingungen in Ihrem Unternehmen zu schaffen, dann ist es vermutlich an der Zeit, zu gehen.

Zusammenfassung  

Soweit meine Gedanken und Tipps zum Thema Balance zwischen den Lebensbereichen schaffen – 5 Tipps. Ein bewusster Ausgleich zwischen den Lebensbereichen ist keine einmalige Entscheidung, sondern ein dynamischer Prozess, das sollte deutlich geworden sein.  Und eine wesentliche Botschaft ist: Schaffen Sie die Grundlagen, um sich selbst wirksam zu führen. Die Kenntnis der eigenen Mission ist elementar, ebenso geeignete Rituale und der Fokus auf das Wesentliche.

Fördern Sie Ihre Balance – mit unserem Seminar

Haben Ihnen diese Anregungen einen positiven Anstoß gegeben? Ich vermute, ja. Allerdings kann es sein, dass Sie sich von Ihrer jetzigen Situation überfordert fühlen und mehr benötigen, als einige Tipps.

Wie wäre es mit einer intensiven Planungszeit in einer besonderen Umgebung?  Im Januar 2025 bieten die Fitness- und Achtsamkeitsexpertin Anja Termöllen und ich ein dreitägiges Seminar auf Lanzarote an:

WIRKSAM HANDELN DURCH SELBSTFÜHRUNG

  • die eigene Vision schärfen
  • neue Perspektiven gewinnen
  • Kraft tanken auf der Vulkaninsel

Drei intensive Seminartage auf Lanzarote: 13.-15. Januar 2025

Das Seminar auf Lanzarote zielt darauf ab, Privatpersonen und Führungskräfte in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu unterstützen. Durch eine Kombination aus Achtsamkeit, Fitness, Selbstwirksamkeit und Leadership Development sollen die Teilnehmer ihre innere Klarheit und Stärke finden und nachhaltig in ihren Alltag integrieren. Lanzarote, mit seiner einzigartigen Landschaft und inspirierenden Umgebung, bietet den idealen Rahmen, um fernab des Alltags neue Perspektiven zu gewinnen und sich zu fokussieren.
Wir freuen uns auf Sie – lassen Sie uns kraftvoll in das neue Jahr starten!
Anja Termöllen und Dr. Burkhard Bensmann

Zur Infoseite: Seminar Wirksam handeln auf Lanzarote am 13.-15. Januar 2025

Info-PDF zum Seminar: SF_LZ_2025_Folder


Musik im Vor- und Nachspann
by Joakim Karud http://soundcloud.com/joakimkarud

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SF182 Platz schaffen für das Wesentliche – drei Anregungen

 


Den Wandel zum Wesentlichen erleichtern

In der Episode SF180 „Wandel zum Wesentlichen – Rezept mit 4 + 1 ausgewählten Zutaten“ hatte ich bereits praktische Tipps gegeben, mit denen Sie sich leichter auf das Eigentliche konzentrieren können. Das erste Quartal dieses Jahres ist bereits wieder vorbei und dies kann ein guter Zeitpunkt sein, noch einmal an die Vorsätze für 2023 zu erinnern. Wie steht es bei Ihnen – was ist bereits gelungen, was steht noch an? Mit dieser Solo-Episode will ich mich konkret der Frage widmen, wie wir uns den Weg zum Wesentlichen erleichtern können – indem wir Platz schaffen. In dieser Episode gebe ich Ihnen drei Anregungen, um sich den Wandel zum Wesentlichen zu erleichtern. Ich starte mit einem aktuellen eigenen Erlebnis und dann liefere ich die drei Ansätze.

 


Aktuelles Erlebnis: Meine Große Aufräumaktion 

Seit gut fünf Jahren habe ich mit zwei Kollegen eine große Halle gemietet. Dort konnte ich mich bisher meinem Hobby, dem Schrauben an Oldtimern, widmen. Die Halle und deren Nebenräume waren groß genug, dass sich auch diverse Werkzeuge, Ersatzteile, Öle, Schmiermittel und so fort ansammeln konnten. Hörerinnen und Hörer, die ähnliche Hobbies haben, können sich jetzt ein Bild machen. Immer wieder gab es Schnäppchen, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Und so hatte sich eine Menge angesammelt, mehr, als ich absehbar nutzen konnte. Wie immer war es einfach, Neues anzuschaffen. Ähnlich wie bei Amazon: meist genügt ein Click und das Ding ist meins, mit allen Folgen.
Vor einigen Wochen bekamen wir die Kündigung der Halle, verbunden mit dem Angebot, zur gut 2,5-fachen Miete in einen neuen Vertrag einzusteigen. Bei mir löste das weder Panik noch Frustration aus, wie Sie, liebe Hörerinnen und Hörer jetzt vielleicht denken mögen. Im Gegenteil. Ich hatte schon länger vor, mich wesentlich kleiner zu setzen innerhalb der Halle, aber irgendwie zog sich alles hin und damit blieb die Situation wie sie war. Zum Jahresanfang hatte ich mir übrigens das Quartalsziel gesetzt, nun endlich meinen Platz aktiv zu verkleinern. Und jetzt kam die Kündigung, exakt passend.
Wie war meine Reaktion denn nun? Ich fühle mich erleichtert. Jetzt galt es zu überlegen, wie die Halle innerhalb der gesetzten Frist zu räumen war. Ich konnte die Kündigung spontan reframen, auf meine Art nutzen – nämlich als Wink des Universums, jetzt alles radikal aufzuräumen. Ich startete mit zahlreichenE-Mails und Telefonaten mit Freunden und Bekannten um anzuzeigen, dass ich meine Sachen verkaufen wollte.
Ich will Sie hier nicht mit Details überfordern. Nachdem ein paar Tage keine Resonanz auf meine E-Mails aus meinem Netzwerk kam, ging es dann auf einmal ganz schnell: Im Moment, in dem ich diese Podcast-Episode hier aufnehme, habe ich bereits einen Großteil des Werkzeugs sowie alle Ersatzteile bereits an Oldtimer-Freunde verkauft und vieles schon ausgeräumt.
Auf die besorgten Fragen, ob ich nicht die Auflösung bedauere, kann ich immer nur antworten: ich fühle mich erleichtert. Es ist, als ob eine sehr gute und wichtige Phase zu Ende geht. Jetzt habe ich Platz geschaffen, damit etwas Neues ggf. diesen Frei-Raum nutzen kann. Oder der Frei-Raum bleibt erst einmal leer, auch gut.


Drei Anregungen

Diese Erfahrung bringt mich zu drei Anregungen, die ich Ihnen empfehle, um Platz für das Wesentliche schaffen können. Dazu gibt von mir natürlich wie nahezu immer mit den Hinweis, dass diese Anregungen in meinem Kontext funktionieren, Sie selbst aber zu anderen oder weiteren Ansätzen greifen werden – nur zu!

Ansatz Nr. 1  Aufräumen

Nun, Sie werden vielleicht die Ansätze von Marie Kondo kennen, die ich hier mal verkürzend als „Aufräum-Expertin“ nennen will. Ihr Werk „Das große Magic Cleaning Buch“ trägt den Untertitel: „Über das Glück des Aufräumens.“ Dieses besondere Gefühl stellt sich tatsächlich häufig ein, wenn wir Garagen, Dachböden oder Keller ausmisten. Wobei – es ist ja nicht immer Mist, den es zu entsorgen gilt. Dazu Marie Kondo: „Behalten Sie immer im Hinterkopf, dass Sie nicht etwa die Dinge aussuchen, die wegsollen, sondern diejenigen, die Sie behalten möchten. Behalten Sie nur das zurück, was ein Glücksgefühl in Ihnen auslöst. Und während Sie alles aussortieren, bei dem das nicht so ist, vergessen Sie nicht, sich bei diesen Dingen zu bedanken, bevor Sie Lebewohl sagen.“ (ebenda, S. 20)
Viel will ich nicht hinzufügen. Mir selbst ist es bei der oben geschilderten Aufräumaktion so gegangen, wie die Expertin schreibt. Überlegen Sie doch für sich, wann Sie das letzte Mal Ordnung geschaffen und was Sie dabei empfunden haben.

Ansatz Nr. 2  Nicht-Kaufen

Meine jüngsten Erfahrungen bestätigen mir, dass es ein Ungleichgewicht zwischen dem Anschaffen und dem Loswerden gibt. Wie oben erwähnt: bei Amazon genügt ein Click, und das Ding gehört mir, am Besten mit 24-Stunden Lieferservice.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es eine Marktlücke gibt: die One-Click-Entsorgung. Also eine Dienstleistung, die mir ein Ding abnimmt und dafür sorgt, dass es wiederverwendet oder wiederverwertet wird.
Noch besser als eine Verwertung ist der Nicht-Kauf. Zumindest bei mir ist es häufig mal so, dass der Kauf deshalb erfolgt, weil mir der Vorgang Freude bereitet – und die Lieferung einen weiteren Anlass zur Freude bietet. Klar, ich rationalisiere es mir so hin, dass ich den Gegenstand unbedingt brauche. Mit Abstand betrachtet bereitet mir nur ein Bruchteil der gekauften Sachen eine nachhaltige Freude oder einen nachhaltigen Nutzen. Bei meiner jüngsten Aufräumaktion ist mir aufgefallen, dass ich Werkzeuge doppelt gekauft hatte – das erste Exemplar war jeweils in Vergessenheit geraden oder unauffindbar.Wenn ich mir den Aufwand, den ich mit der Räumung meiner Schrauber-Halle habe, vor Augen halte, dann erleichtert es mir das Nein-Sagen.
Überlegen Sie ob es auch für Sie eine passende Regel sein kann, vor jeder Bestellung noch einmal eine Nacht darüber zu schlafen. Statt einer One-Click-Bestellung benötige ich eher einen 10-Click-Bestellvorgang, der mir nochmal Zeit zum Nachdenken gibt.

Ansatz Nr. 3  Die übergeordneten Ziele

Aufräumen und Nicht-Kaufen – das braucht auch Disziplin und Selbstmotivation. Die Ansätze werden bei Ihnen vielleicht die größte Wirkung erzeugen, wenn Sie sich Ihre übergeordneten Ziele vor Augen halten, das ist mein Ansatz Nr. 3. Was meine ich damit?
Bei mir war es ein aktualisiertes, klares Bild, das ich von meiner Zukunft entworfen habe. Darin spielte die oben erwähnte Schrauber-Halle keine Rolle mehr. Im Gegenteil, ich musste sie auflösen, weil sie meinen anderen zukünftigen Aktivitäten im Weg stand, sie mindestens erschwerte. „Wandel zum Wesentlichen“ heißt für mich, dass ich dieses Wesentliche oder Eigentliche Wirklichkeit werden lassen will und mir dies konkret vorstelle.
Für diese persönliche Visionsarbeit nutze ich meine analogen und digitalen Notizen, mache Fotos und sammle derart meine Einfälle. Wenn der Zeitpunkt reif ist, dann nutze ich dieses Material und verdichte es zu einem für mich attraktiven Zukunftsbild. Dieses aktualisiere ich periodisch, denn meine Umwelt und ich selbst unterliegen einem stetigen Wandel.
Hilfreich ist für mich auch die jährliche Übung, die Faktoren für Well-Being für mich zu benennen. In der Podcast-Episode SF138 „Indikatoren für ein gutes Leben“ gehe ich darauf näher ein (https://ld21.de/sf138-indikatoren-gutes-leben/, August 2020).
Um Klarheit hinsichtlich Ihrer Vision und der langfristigen Ziele zu gewinnen, können Sie als Zwischenschritt auch ein Blatt Papier mit einem Strich in der Mitte teilen, links hinschreiben „Ich will“ und rechts auflisten „Ich will nicht“. Erneut erinnere ich in diesem Zusammenhang an einen Leitsatz von Greg McKeown „Wenn es kein klares JA ist, ist es ein klaren NEIN.“


Musik im Vor- und Nachspann
by Joakim Karud http://soundcloud.com/joakimkarud

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